Der Tod eines Angehörigen führt oft dazu, dass Erklärungen beim Nachlassgericht sehr schnell abgegeben werden – häufig, weil man von einem überschuldeten Nachlass ausgeht. Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 24.07.2024 (Az. 21 W 146/23) klargestellt: Wer das Erbe ausgeschlagen hat und sich über den Bestand des Nachlasses geirrt hat (z.B. es existieren doch Kontoguthaben oder weitere Vermögenswerte), kann diese Ausschlagung anfechten. Ein bloßer Wertirrtum reicht dagegen nicht aus. Entscheidend ist also: War der Irrtum der Grund für Ihre Ausschlagung?
Sobald Sie erfahren, dass der Nachlass anders zusammengesetzt ist als gedacht – etwa weil der Nachlasspfleger ein nicht bekanntes Konto meldet –, läuft in der Regel die 6-Wochen-Frist für die Anfechtung. Notieren Sie das Datum, an dem Sie von dem Vermögenswert erfahren haben, und sichern Sie die Unterlagen (E-Mail, Schreiben des Gerichts, Kontoauszug). Wir prüfen mit Ihnen, ob Ihr Irrtum eine Tatsache betraf (Vorhandensein von Konten, Sparguthaben, Forderungen) und ob genau dieser Irrtum Ihre Ausschlagung ausgelöst hat. Darauf stellt auch das OLG Frankfurt ab.
Informieren Sie Miterben, das Nachlassgericht und wesentliche Stellen (Banken, Versicherer) knapp darüber, dass Sie die Ausschlagung anfechten wollen. So vermeiden Sie, dass aus Unkenntnis über den wahren Nachlassbestand weiter verfügt wird, und Sie schaffen eine einheitliche Informationslage.
Die Anfechtung wird gegenüber dem Nachlassgericht erklärt – entweder zur Niederschrift beim Gericht oder in öffentlich beglaubigter Form. Die Frist beträgt grundsätzlich 6 Wochen ab Kenntnis des Irrtums, bei Auslandsbezug 6 Monate. Fügen Sie die Belege zum neu entdeckten Vermögen bei und schildern Sie kurz, dass Sie bei richtiger Kenntnis nicht ausgeschlagen hätten. So ist das Gericht in die Lage versetzt, die Ausschlagung wie im Frankfurter Fall rückwirkend zu korrigieren.
Teilen Sie Banken und Versicherungen mit, dass eine Anfechtung läuft, und bitten Sie um vorläufige Zurückstellung von Auszahlungen. Legen Sie – soweit vorhanden – den Eingangsvermerk des Gerichts über Ihre Anfechtung bei. Gerade wenn ein unerwartet hohes Kontoguthaben der Auslöser ist, lässt sich so vermeiden, dass Gelder an unberechtigte Stellen fließen.
Vermeiden Sie widersprüchliche oder vorschnelle Erklärungen gegenüber Dritten. Halten Sie den Sachverhalt sachlich und belegbar. Das OLG hat nicht verlangt, dass Erben vor der Ausschlagung jede erdenkliche Information einholen müssen – wohl aber, dass nach Bekanntwerden echter Tatsachen die Lage sauber aufgearbeitet wird.
Wenn nachträglich Vermögen auftaucht, sollten bestehende Kontovollmachten, Verträge zugunsten Dritter oder Bezugsrechte überprüft werden. Wo unberechtigte Zugriffe drohen, kommt ein Widerruf oder eine vorläufige Sperre in Betracht. Entscheidend bleibt: Eine reine Vermutung („der Nachlass ist bestimmt leer“) rechtfertigt die Anfechtung nicht – eine nachweisbare Fehlvorstellung über den Bestand dagegen schon.
Ergeben sich aus der neuen Lage Ansprüche zu Ihren Gunsten (Kontoguthaben, Versicherungsleistungen), melden Sie diese zeitnah an und verweisen Sie auf die laufende Anfechtung. Nach einer erfolgreichen Anfechtung sollten Sie die Legitimation anpassen (z.B. Erbschein beantragen), damit Sie über das Vermögen verfügen können.
Herr S. schlägt das Erbe seiner Tante aus, weil er von einer verschuldeten Wohnung und damit von einem wertlosen Nachlass ausgeht. Vier Wochen später informiert der Nachlasspfleger über zwei Sparbücher und ein Girokonto mit insgesamt mehr als 20.000 €. Herr S. dokumentiert diesen Tag, sammelt Kontoauszüge als Nachweis und erklärt innerhalb von 6 Wochen beim Nachlassgericht die Anfechtung der Ausschlagung.
Er begründet, dass seine Entscheidung allein auf der unzutreffenden Annahme „kein Vermögen vorhanden“ beruhte. Unter Hinweis auf die Linie des OLG Frankfurt – Irrtum über die Zusammensetzung, nicht nur über den Wert – wird die Anfechtung als wirksam behandelt; Herr S. beantragt den Erbschein und nimmt die Erbschaft an.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt stärkt Erben, die in einer Ausnahmesituation vorschnell ausgeschlagen haben. Wer nachweisbar erst später von vorhandenen Nachlasswerten erfährt, kann die Ausschlagung anfechten – aber nur innerhalb der Frist und mit einer klaren Begründung zum Irrtum über den Nachlassbestand. Wir unterstützen Sie dabei von der ersten Prüfung bis zur Erklärung beim Nachlassgericht.
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